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Die andere Erdhalbkugel im Wohnzimmer

Artikel: Lisa Maria Kunst

Anja Backhaus spricht im Podcast Gradº Global der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima mit Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen über Entwicklung und Klima. Im Interview verrät die Moderatorin, wie sie Mut zum Handeln machen möchte und was die Gäste ihr bisher mit auf den Weg gegeben haben.

Du hast im Podcast Gradº Global mit Sportler:innen, Politiker:innen und Wissenschaftler:innen gesprochen. Was eint sie?

Sie alle wollen die Gegenwart mitgestalten. Damit wir in einer lebenswerten Zukunft landen. Alle Gesprächspartner:innen haben einen enormen Gestaltungswillen. Das sind Macherinnen und Macher. Sie entwickeln innovative Ideen, suchen nach Gleichgesinnten und Multiplikatoren – sie vernetzen sich. Und ich habe das Gefühl, dass sich so nach und nach eine Klimalobby aufbaut. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert hat in einer unserer Folgen gesagt, dass die Lobbyisten der Vergangenheit noch stärker sind als die Lobbyisten der Zukunft. All die Menschen, die ich für Gradº Global treffe, arbeiten daran, dass sich das ändert.

Du möchtest mit dem Podcast Mut zum Handeln machen. Wie bewegt man Menschen zum Handeln?

Man merkt in Gesprächen und auf Panels, wie schwierig es ist, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen. Alle wollen auf einer gesunden Erde leben, in einer gesunden Zukunft. Und alle sind für Klimaschutz. Aber wenn es dann darum geht, selbst etwas zu tun, springen viele wieder ab. Es gibt Psycholog:innen die versuchen herauszufinden, woran das liegt. Braucht es Anreize oder Verbote? Ich glaube, es braucht gewisse Vorgaben und Regelungen, die für alle gelten. Solange Klimaschutz auf rein freiwilliger Basis stattfindet, wird es immer Menschen geben, die nicht mitmachen. Und ohne die geht es nicht. Ich dachte lange, dass Menschen ihr Verhalten ändern, wenn es ihnen an den eigenen Kragen geht. Aber man fragt sich dann, was jetzt noch passieren muss. Wir haben Starkregen, Hochwasser, Hitze, Dürre und Waldbrände in Europa. Vielleicht ist es noch nicht so stark wie im Globalen Süden. Vielleicht ist das Leid noch nicht groß genug. Ich würde mir wünschen, dass die Einsicht vor dem Leid kommt.

Mut machen funktioniert aber auch über Vorbilder. Warum fahren zum Beispiel Fußballprofis nicht mit dem Fahrrad? Genau da müssen wir ran: Dass Statussymbole nicht mehr große Autos, riesige Häuser oder zehn Urlaube auf Hawaii sind. Es ist ein richtiger Wertewandel erforderlich. Das wird noch ein langer Weg.

Anja Backhaus moderiert seit über 20 Jahren Radio- und TV-Sendungen, Events und Bühnenveranstaltungen.

„Sie ändern meine Perspektive, weil sie mir Sachen erzählen, den Blick öffnen und mich so an neue Orte leiten.“

Wir wissen, dass wir alle auf diesem Planeten miteinander verbunden sind. Und doch fällt es uns Menschen anscheinend immer wieder so schwer global zu denken und zu handeln. Warum?

Ich glaube, gefühlt betrifft uns Vieles gar nicht. Was ein Fehlschluss ist. Ereignisse scheinen weit weg. Nehmen wir ein Beispiel, das den Wahlumfragen nach gerade viele Menschen bewegt: Migration. Natürlich kommen viele Menschen zu uns, wenn sie keine Perspektiven mehr in ihrem eigenen Land haben. Wenn ihr Land zerstört ist und es keine Lebensgrundlage mehr gibt. Es betrifft uns immer in irgendeiner Form, was auf der anderen Erdhälfte passiert. Jetzt und in Zukunft.

Man spricht auch von der Externalisierungsgesellschaft. Wir leben auf Kosten von anderen und schieben viele Themen weg. Dafür müssen wir sensibilisieren. Ich glaube, Menschen müssen sehen, dass wir mitverantwortlich sind. Darauf sollten wir immer wieder hinweisen.

Was hast Du aus den über vierzig Podcast-Folgen mitgenommen? Hat sich Deine eigene Perspektive dadurch verändert?

Vierzig Folgen haben wir schon! Das ist unglaublich. Wie viele tolle Menschen da schon zu Wort gekommen sind. Meine Perspektive hat sich dadurch verändert, dass die Menschen mich alle mitgenommen haben. Sei es z.B. in ihre Forschungsbereiche oder in die Wirtschaft.

Ich denke an eine der ersten Podcastfolgen mit Boris Herrmann. Er umsegelt die Welt und war an Ecken, wo noch fast kein Mensch überhaupt je war. Dort nimmt er Wasserproben und berichtet davon. Die Unternehmerin Antje von Dewitz hat geschildert, wie ihr Unternehmen Vaude Innovationen entwickelt und mittlerweile komplett klimaneutral ist. Benjamin Adrion von Viva con Agua, hat erzählt, wie die Menschen in Afrika an Trinkwasser kommen. All diese Gäste nehmen mich mit auf ihre Reise und lassen mich an ihren Erkenntnissen teilhaben.  Sie ändern meine Perspektive, weil sie mir Sachen erzählen, den Blick öffnen und mich so an neue Orte leiten. Das hat mir den globalen Süden sehr nah ran geholt.

Je mehr man sich mit der Klimakrise beschäftigt, desto düsterer die Situation und desto klarer der Handlungsbedarf. Auf der anderen Seite sprichst Du mit vielen Menschen, die tolle Ideen haben, sie umsetzen und Vorbilder sind. Welches Bild ergibt sich daraus?

Wir befinden uns jetzt an dem Punkt, wo wir noch entscheiden können. Oft hören wir düstere, erschütternde Prognosen. Und manchmal hat man das Gefühl, man muss resignieren. Aber das bringt ja nichts. Der Philosoph Karl Popper sagt, es gibt keine vernünftige Alternative zum Optimismus. Und ich finde, das bringt es gut zum Ausdruck.  Wir müssen optimistisch bleiben, sonst verharrt man in einer Art Schockzustand.

Es ist traurig, dass das, was an Forschung, Technik, Netzwerken und Ideen existiert, nicht schneller umgesetzt wird. Da braucht es politische Rahmenbedingungen und noch mehr Menschen, die mitmachen.

Ich bin der Überzeugung, dass wir noch handeln können. Auch in den nächsten Jahren. Man kann eine Gesellschaft nicht radikal von heute auf morgen ändern und sagen „Ihr müsst jetzt euer ganzes Leben ändern. Ihr müsst jetzt sofort die Autos wegstellen, kein Fleisch mehr essen, nicht mehr in Urlaub fahren.“ Das geht nicht. Solch ein Wertewandel dauert und man sollte Menschen für eine tiefgreifende Transformation Zeit geben. Ganz nach dem Motto: „Ja, wir können das noch schaffen, aber so langsam müssen wir jetzt auch mal alle anfangen“. Daher bleib ich optimistisch.

„ Wir müssen optimistisch bleiben, sonst verharrt man in einer Art Schockzustand.“

Du selbst ernährst Dich vegetarisch, fährst innerstädtisch mit dem Fahrrad – wie wichtig sind die eigenen kleinen Ansatzpunkte im Vergleich zum großen Ganzen?

Es wird oft gesagt, dass das die Welt nicht rettet. Ich glaube aber, es geht auch um eine Sensibilisierung für das Thema. Bestimmt rette ich nicht den globalen Süden, indem ich Fahrrad fahre. Aber dadurch bin ich zum Beispiel ein Vorbild für meine Kinder. Wenn von vielen Menschen wie mir kleine Impulse losgehen, dann hat das irgendwann eine größere Wirkung. Man spricht von sozialen Kipppunkten: Wenn eine gewisse Menge an Menschen sich verändert hat, dann folgt später die Mehrheit. Sie sieht „Ah okay, es scheint uns doch in eine bessere Welt zu führen“. Auf diese Weise kann jede und jeder für sich etwas bewegen. Das hat dann wieder einen Impact und vielleicht wird später daraus eine größere Bewegung.

Wir spielen „Wünsch Dir was“: Du führst den Podcast in fünfzehn Jahren. Wie hat sich die Welt verändert? Und wie blickst Du dann auf Entwicklung und Klima?

Bei den SDGs, den Zielen der Vereinten Nationen, geht es um ganzheitliche Nachhaltigkeit. Darum, dass es weniger Armut gibt, dass Frauen gefördert werden oder dass es sauberes Trinkwasser gibt. All diese Ziele zu erreichen, schaffen wir wohl nicht in 15 Jahren. Aber ich wünsche mir natürlich, dass wir dann viel weiter sind. Gerade den Ausgleich der globalen Ungerechtigkeiten sollten wir angehen. Daher finde ich auch, dass Entwicklungszusammenarbeit etwas Wichtiges ist. Mit einem nur auf uns bezogenen Weltbild kommen wir nicht weiter. Wir sind eine Welt. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass sich die Lebenssituation von Menschen im globalen Süden verbessert. Das funktioniert zum Beispiel durch den Ausbau von Klimaschutzprojekten vor Ort. Robert Habeck sagte kürzlich, Klimaschutz sei das falsche Wort. Wir schützen, wenn wir das Klima schützen, Freiheit, menschenwürdiges Leben und Menschlichkeit auf der Erde. Ich finde, da hat er recht. Es geht um Freiheit und Menschenwürde von allen. Ich hoffe, dass wir in 15 Jahren mehr Bewusstsein innerhalb Bevölkerung dafür haben. Dafür müssen wir Aufklärungsarbeit leisten. Um den globalen Süden in die Wohnzimmer zu holen. So nah, wie ich ihn hier durch meine Podcast-Gespräche habe.

Jetzt reinhören in den Podcast der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima

Credits: Andrea Oster

Der Klimawandel mit seinen umfassenden Auswirkungen in ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht wird als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewertet. Kein Bereich des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens wird davon in den nächsten Jahrzehnten unberührt bleiben. Und dies erfordert globale Anstrengungen.

Text:
 Dr. Olivia Henke

Die Erhaltung der Artenvielfalt, im Fachjargon Biodiversität, ist die größte ökologische Herausforderung der Menschheit und sie ist sehr eng mit dem Klimaschutz verbunden. Der bekannte Wissenschaftsjournalist und Moderator Dirk Steffens klärt seit vielen Jahren öffentlichkeitswirksam darüber auf – seit Januar 2024 auch in seiner Funktion als Botschafter der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima.

Text:
 Rainer Kunst, Tom Corrinth

Wie lassen sich Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Unternehmen angehen und ausbauen? Zwei Beispiele aus der Praxis. Klimaschutz und eine nachhaltige Entwicklung sind keine Selbstläufer. Dass sich auch die Wirtschaft für den Erhalt unserer Erde als einen bewohnbaren Planeten stark machen sollte, haben viele Unternehmen verstanden.

Text:
 Dr. Elena Winter