Das Thema „Klimarisiko“ hat die Stiftung in diesem Jahr stark beschäftigt, zum einen durch ein eigenes Online-Seminar für Unterstützer:innen zu diesem Thema, zum anderen durch die Veröffentlichung der „Nationalen Interdisziplinären Klimarisiko-Einschätzung“. Dieser Bericht, eine Zusammenarbeit zwischen dem Metis Institut für Strategie und Vorausschau, dem Bundesnachrichtendienst (BND), adelphi research und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, ist der erste seiner Art, der in Deutschland veröffentlicht wurde. Die klare Erläuterung einer Reihe von zukünftigen Klimarisiken ist sehr zu begrüßen: Der Bericht ist erfrischend zugänglich und leicht zu lesen, basiert aber gleichzeitig eindeutig auf sorgfältiger wissenschaftlicher Forschung. Der Inhalt ist für eine Reihe von Akteuren von großer Bedeutung, darunter Politiker:innen mit Entscheidungsbefugnis, besorgte Bürger:innen und Unterstützer:innen der Allianz für Entwicklung und Klima, die effektiv für eine unsichere Zukunft planen wollen. Er ist auf Englisch und Deutsch auf der Metis-Website erhältlich.
Die Autor:innen konzentrieren sich vor allem auf die Risiken, die bis zum Jahr 2040 zu beachten sind. Dabei berücksichtigen sie nicht nur die meteorologischen Auswirkungen des Klimawandels, die einigen Leser:innen bereits bekannt sein dürften, sondern auch die damit verbundenen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Risiken. Das vielleicht auffälligste Merkmal des Berichts ist die Betonung der Verflechtung verschiedener globaler Risiken: Es werden z. B. „Interdependenzen“, „Polykrisen“, „Endlosschleifen“ sowie „Wechselwirkungen“ und „kaskadierende Effekte“ untersucht. Solche Phänomene werden durch kreative Illustrationen veranschaulicht, was ein weiteres herausragendes Merkmal des Berichts ist.
Infolge dieses breit angelegten Ansatzes sind einige der Ergebnisse des Berichts vielleicht überraschend – in einigen Fällen sogar kontraintuitiv. Laut BND gehören die Auswirkungen des Klimawandels zu den fünf größten Bedrohungen für Deutschland, neben der russischen Aggression, den globalen Ambitionen Chinas, Cyberangriffen und dem internationalen Terrorismus. Der Bericht ist daher eine sehr empfehlenswerte (vielleicht sogar unverzichtbare!) Lektüre für alle, die ein umfassenderes Verständnis der Klimaauswirkungen anstreben. Denn das große Ganze umfasst viel mehr als nur wärmere Temperaturen.
Stärkere Hitzewellen - aber vielleicht auch stärkere Winter
Wie komplex die meteorologischen Prozesse sind – noch bevor wir uns mit den sozialen und politischen Auswirkungen befassen – zeigt die Beschreibung der Kipppunkte des Klimas in dem Bericht. Während sich viele Diskussionen über Klimarisiken aus offensichtlichen Gründen auf die Auswirkungen von Hitzewellen mit zunehmender Häufigkeit und Intensität konzentrieren, wird in dem Bericht die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Störungen des Golfstroms das System aus dem Gleichgewicht bringen könnten.

Dies könnte zu extremer Winterkälte und mehr Winterstürmen in Europa führen. Auch wenn es paradox erscheinen mag, dass die globale Erwärmung zu strengeren Wintern führen könnte, ist diese Feststellung wissenschaftlich fundiert und wird auch im jüngsten IPCC-Bericht beschrieben.
Extreme Temperaturen an beiden Enden der Skala stellen eine der potenziell verstärkenden Schleifen dar, da mehr Energie benötigt wird, um im Winter zu heizen und im Sommer zu kühlen. Wenn diese Energie nicht aus erneuerbaren Quellen stammt, trägt sie selbst zu den Kohlenstoffemissionen bei, was die Herausforderung erhöht, den Klimawandel innerhalb der im Pariser Abkommen beschriebenen Grenzen zu halten.
Schnell und langsam einsetzende Ereignisse
In der wissenschaftlichen Literatur über die Auswirkungen des Klimawandels wird zwischen schnell eintretenden Ereignissen wie Stürmen und Überschwemmungen und langsam einsetzenden Ereignissen wie Wüstenbildung, Ozeanversauerung und Meeresspiegelanstieg unterschieden. Es überrascht nicht, dass sich die Medienberichterstattung über die Auswirkungen des Klimawandels auf die dramatischen, schnell eintretenden Ereignisse konzentriert, aber der Bericht widmet auch den langsam eintretenden Auswirkungen große Aufmerksamkeit. Im globalen Süden beispielsweise wird die Vertreibung eher durch allmähliche Veränderungen verursacht, durch die die traditionellen Lebensgrundlagen schließlich unrentabel werden: Gemeinschaften, die von der Fischerei abhängig sind, müssen möglicherweise feststellen, dass eine wichtige Proteinquelle in kühlere Gewässer abgewandert ist, oder dass ehemals fruchtbares Ackerland aufgrund von Wasserknappheit für die Landwirtschaft ungeeignet wird.
Auch für Europa können langsam eintretende Veränderungen schwerwiegende Folgen für die Ernährungssicherheit haben. Hier sind die Zusammenhänge zwischen steigenden Temperaturen und biologischer Vielfalt hervorzuheben. Eine abnehmende Artenvielfalt macht die Nutzpflanzen anfälliger für Schädlinge. Die Auswirkungen von Ernteausfällen in Europa könnten durch Probleme der Ernährungssicherheit in anderen Teilen der Welt noch verschärft werden, da die Länder die Ausfuhr von Produkten verbieten könnten, um den heimischen Bedarf zu decken.
Langsam eintretende Ereignisse sind in gewisser Weise leichter vorherzusagen, aber es besteht kein Zweifel, dass die Wahrscheinlichkeit plötzlicher Katastrophen mit dem Klimawandel ebenfalls zunehmen wird. Um beide Arten von Auswirkungen zu bewältigen, sind Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Der Bericht macht deutlich, dass es umso teurer wird, je länger wir mit der Umsetzung dieser Maßnahmen warten. Es gibt also klare wirtschaftliche Gründe für die Regierungen, in Sachen Klima schnell zu handeln. Dies stellt das Argument in Frage, dass die Klimapolitik dem Wirtschaftswachstum schadet; längerfristig betrachtet sind Klimamaßnahmen sogar notwendig, um die Bedingungen für wirtschaftlichen Wohlstand zu erhalten.
Die Gefahr des politischen Extremismus und der zunehmenden sozialen Polarisierung
Vor einigen Jahren hatte ich eine lebhafte und engagierte Debatte mit einem belesenen Freund über die größten Bedrohungen für die künftige globale Sicherheit: Er vertrat die Ansicht, dass wir uns am meisten über den Aufstieg der Rechtsextremen Sorgen machen sollten, während ich darauf bestand, dass die Klimakrise unsere größte Sorge sein sollte. Schon damals waren wir uns darüber im Klaren, dass gesellschaftliche Herausforderungen und Klima verbunden sind. Wenn ich jetzt zurückblicke, wird mir klar, dass unsere Diskussion konzeptionell fehlerhaft war: Diese beiden Themen – und viele andere – sind zu sehr miteinander verknüpft, als dass ein sinnvoller Vergleich möglich wäre.
Besorgniserregend ist nicht nur, dass die Auswirkungen des Klimawandels zu einer stärkeren Unterstützung der Rechtsextremen führen könnten, sondern auch, dass wir Gefahr laufen, in einen Teufelskreis zu geraten, in dem die Unterstützung der Rechtsextremen zur Abschaffung von Klimaschutzmaßnahmen führt, was wiederum eine Verschärfung der Klimakrise zur Folge hat, was wiederum zu weiteren sozialen Verwerfungen führt, was wiederum das populistische Narrativ der Rechtsextremen stärkt, und so weiter.
Wenn man den jüngsten Bundestagswahlen Glauben schenken darf, wird sich dieses populistische Narrativ auf die Frage der Migration konzentrieren: Die verstärkte Migration ist eine der sichersten Auswirkungen des Klimawandels. Als ein Land, dessen Klima im Vergleich zu vielen anderen Regionen gemäßigt bleiben wird, und als historisch hoher Kohlenstoffemittent hat Deutschland eine moralische Verantwortung, Klimamigrant:innen willkommen zu heißen. Dennoch ist davon auszugehen, dass entsprechende Entwicklungen auf unterschiedliche gesellschaftliche Reaktionen stoßen werden.
Eine weitere Erkenntnis, die einige Leser:innen – mich eingeschlossen – überraschen dürfte, ist der Umstand, dass der Bericht auch auf potenzielle Risiken durch linksextreme Strömungen hinweist. Demnach könnten bestimmte Akteursgruppen verstärkt versuchen, wirtschaftliche Prozesse gezielt zu stören, um grundlegende gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Der Bericht weist darauf hin, dass Gruppen auf der ganzen Welt bereits mit zivilem Ungehorsam auf die Untätigkeit in Sachen Klima reagieren, und er sagt eine weitere Radikalisierung voraus, wenn künftige Regierungsmaßnahmen als unzureichend empfunden werden. Dies ist natürlich ein sehr kontroverser Bereich, und Deutschland war in den letzten Jahren gezwungen, eine öffentliche Debatte über radikalen Klimaaktivismus zu führen. Die Grundaussage des Berichts, dass eine Verschärfung der Klimakrise zu einer zunehmenden politischen Polarisierung führen wird, ist jedoch unbestreitbar.
Ich bin sicher, dass es immer gemäßigte Befürworter von Klimamaßnahmen geben wird, aber die Auswirkungen der zunehmenden politischen Polarisierung auf den sozialen Zusammenhalt sind in vielen Ländern, insbesondere in den USA, bereits sichtbar. Dies wirft einige grundlegende Fragen auf. Wie werden wir uns in einer zunehmend fragmentierten Medienlandschaft zurechtfinden, in der Desinformation zum Zwecke der politischen Manipulation gedeihen kann? Wird die KI dazu beitragen, ein Gefühl der Objektivität zu bewahren, oder wird sie eher zu einem Propagandawerkzeug?
Auch wenn das Gerede von Teufelskreisen beunruhigend ist, sollten wir die positiven Nebeneffekte nicht vernachlässigen, die mit vielen Formen von Klimaschutzmaßnahmen einhergehen. Einer, der mir in den Sinn kommt, ist der Nutzen, den die Energiewende für die nationale Sicherheit bringen kann – nicht nur für Deutschland, sondern für alle Nationen. Europa hat nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die verheerenden Auswirkungen der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu spüren bekommen; die Energieunabhängigkeit durch erneuerbare Energien bringt dagegen eine erhöhte nationale Sicherheit mit sich. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass der Betrieb von Kernkraftwerken und Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, auf reichliche Wasservorräte zur Kühlung angewiesen ist – Dürreperioden von zunehmender Schwere stellen daher auch ein Risiko für die Energieinfrastruktur dar, wenn diese zu sehr auf Kernkraft und fossile Brennstoffe setzt.
Störung der auf Regeln basierenden internationalen Ordnung
Als ich den Bericht zu lesen begann und sah, dass er Risiken bis zum Jahr 2040 betrachtet, nahm ich an, dass er das Risiko eines einseitigen Einsatzes von Geoengineering nicht erwähnen würde – etwas, über das ich zuvor als potenziellen Risikofaktor für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts gelesen habe. In dem Bericht wird jedoch auf die Gefahr hingewiesen, dass ein einzelner Nationalstaat im Alleingang beschließen könnte, Technologien zur Veränderung der Atmosphäre einzusetzen, um das globale Klima zu verändern, zum Beispiel in Form der stratosphärischen Aerosolinjektion (SAI). Auf der Website des Umweltbundesamtes finden Sie eine ausführliche Erläuterung der verschiedenen möglichen Geoengineering-Technologien. Die destabilisierenden Auswirkungen, die ein einseitiger Einsatz einer solchen Technologie auf die internationale Ordnung hätte, sind schwer vorstellbar, auch wenn verschiedene Science-Fiction-Werke sich damit beschäftigt haben (z. B. „Termination Shock“ von Neal Stephenson oder Kerstin Doerenbruchs „Total Reset“, in dem ein BND-Agent einer der Protagonisten ist).
Auch hier zeigt sich wieder die Verflechtung globaler Risiken. Der Klimawandel ist derzeit einer der größten Divergenzen zwischen der europäischen und der US-amerikanischen Außenpolitik, nachdem die USA unter Trump erneut aus dem Pariser Abkommen austrat und die Mittel für Umweltprojekte gekürzt wurden.

Solche unterschiedlichen Haltungen zum Klimawandel können die Vorstellung plausibler erscheinen lassen, dass ein einzelner Akteur eigenmächtig auf klimatechnologische Maßnahmen zurückgreift.
Gesundheitliche Risiken
Der Bericht weist darauf hin, dass Krankheitsüberträger wie Mücken- und Zeckenarten bereits wandern, so dass Krankheiten wie das Dengue-, das Zika- oder das West-Nil-Fieber wahrscheinlich in neuen Gebieten in Umlauf kommen werden. Mit der Verschärfung des Klimawandels könnte der Mensch weiter in das Gebiet von Wildtieren vordringen.

Steigende Temperaturen werden auch den natürlichen Lebensraum vieler Arten verändern, und sie in kühlere Gebiete drängen. Beide Effekte werden den Kontakt zwischen Tieren und Menschen in einer Weise verstärken, die das Risiko der Übertragung gefährlicher Viren erhöht.
Selbst in einem Bericht, der 77 Seiten lang ist, können nicht alle Risiken behandelt werden. Dennoch möchte ich diejenigen, die sich für künftige Klimarisiken interessieren, auffordern, auch etwas zu bedenken, was in dem Bericht nicht erwähnt wird: die Aussicht, dass ein auftauender Permafrostboden zuvor eingefrorene Krankheitserreger freisetzen könnte. Dies ist ein besonders beunruhigendes Risiko, weil es wahrscheinlich keine Immunität gegen solche Krankheitserreger gibt. Wir müssen nicht allzu weit in die Vergangenheit zurückblicken, um uns an die sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer solchen Pandemie zu erinnern. Dies ist eine weitere Erinnerung daran, dass die Minimierung des Klimarisikos kein Kompromiss zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Erwägungen ist: Klimamaßnahmen sind eine solide Wirtschaftspolitik.
Schlussfolgerungen
Insgesamt sagt der Bericht voraus, dass die Welt im Jahr 2040 unsicherer sein wird als heute. Und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sich dieser Trend der abnehmenden Sicherheit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts umkehren wird. Es fällt schwer, die Aussicht auf eine Zukunft mit abnehmender Sicherheit distanziert und emotionslos zu betrachten – die meisten von uns verspüren einen tiefen Drang, eine Welt zu schaffen, die für unsere Kinder, unsere Enkelkinder und künftige Generationen sicherer ist. Die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Entwicklungserfolge zunichte gemacht werden, hart erkämpfte Friedensvereinbarungen nicht eingehalten werden oder neue Konflikte um begrenzte Ressourcen entstehen, ist sehr unangenehm. Die „Nationale Interdisziplinäre Klimarisiko-Einschätzung“ fordert uns auf, uns mit diesen Risiken direkt auseinanderzusetzen.
Es ist jedoch auch wichtig, uns daran zu erinnern, wo wesentliche Fortschritte gemacht werden, und zwar oft viel schneller, als uns bewusst ist. Den Leser:innen der „Nationale Interdisziplinäre Klimarisiko-Einschätzung“, die vielleicht eine Stärkung brauchen, empfehle ich das jüngste Interview mit Rebecca Freitag aus dem Podcast Grad° Global der Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima. Frau Freitag ist eine ehemalige UN-Jugenddelegierte für nachhaltige Entwicklung, und ein Teil ihrer Mission besteht darin, Chancen und positive Narrative zu betonen. Nichts von dem, was sie sagt, steht im Widerspruch zum Klimarisiko-Bericht. Vielmehr helfen die Perspektiven, die sie anbietet, bei unserem Bestreben, ein möglichst vollständiges Bild davon zu zeichnen, wo wir stehen und wohin wir uns bewegen.
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