Der Regenwald in Brasilien: Einblicke in Waldschutzprojekte im Amazonas-Gebiet
Im Juni 2024 hatte ich die Möglichkeit, im Nordosten Brasiliens Waldschutzprojekte im Amazonas-Gebiet zu besuchen und mir vor Ort ein Bild davon zu machen, welche Chancen und Herausforderungen bei Klimaschutzprojekten dieser Art bestehen. Ich lernte dabei, wie vielschichtig diese Vorhaben in Bezug auf Planung, Umsetzung und Monitoring sind und was benötigt wird, um sie wirkungsvoll zu implementieren. Gleichzeitig konnte ich erfahren, dass gut umgesetzte Waldschutzprojekte Vorteile für die lokalen Gemeinden sowie die Flora und Fauna mit sich bringen können.
Der Amazonas-Regenwald in Südamerika erstreckt sich über eine riesige Fläche und die Territorien von insgesamt neun Ländern – eine beeindruckende Zahl und Ausdruck seiner Größe! Etwa 60 Prozent davon liegen im Norden und Nordosten Brasiliens. Oft wird der Regenwald als die „Lunge des Planeten“ bezeichnet, da er große Mengen an Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und Sauerstoff produzieren und wieder abgeben kann, wenn er in gesunder Balance existieren darf. Es ist laut einiger wissenschaftlicher Befunde beunruhigend zu lesen, dass dieses Gebiet aufgrund des voranschreitenden Klimawandels und menschlicher Aktivitäten in den letzten Jahren ein immer höheres Risiko aufweist, vom zuverlässigen Speicher selbst zu einer Emissionsquelle für Kohlenstoff zu werden.
Gleichzeitig ist der Amazonas-Regenwald einer der globalen Hotspots für unzählige Arten von Tieren und Pflanzen, die teilweise nur dort anzutreffen sind. Sein Schutz ist somit ein Mittel gegen den Biodiversitätsverlust, der zusammen mit der Klimakrise inzwischen als die „doppelte ökologische Krise“ unserer Zeit mit wechselseitigen Effekten aufeinander betrachtet wird.
Innerhalb Brasiliens umfasst das Gebiet des Amazonas-Waldes ganze fünf Bundesstaaten, einer davon ist Pará, in dessen Hauptstadt Belém meine Reise begann. Gemeinsam mit meinen zwei Begleiter:innen der Organisation Carbonext, einem brasilianischen Entwickler von Klimaschutzprojekten, machten wir uns am ersten Tag von Belém in die kleinere und ein paar Stunden entfernte Stadt Paragominas auf, die näher an den eigentlichen Projektgebieten gelegen ist, um von dort aus unsere täglichen Projektbesuche durchführen zu können.
Die Region um Paragominas hatte seit den 1970er-Jahren eine der höchsten Entwaldungsraten des gesamten Landes und war Teil des berüchtigten „Arc of Deforestation“ – ein riesiges Gebiet von der Atlantikküste bis in das Innere des Kontinents, das von einem hohen Grad an Abholzung gekennzeichnet ist. In den vergangenen Jahren konnte die Entwaldungsrate jedoch eingedämmt werden.
Faktoren der Entwaldung und Folgen des Klimawandels
In den Projektgebieten am Rande des tropischen Regenwaldes wird sofort sichtbar, dass sich der voranschreitende Klimawandel bemerkbar macht. Die steigenden Temperaturen belasten die Baumbestände und die dadurch häufiger und intensiver auftretenden Dürrephasen erhöhen das Risiko von Bränden. Es gibt aber auch weitere menschengemachte Stressfaktoren, die Einfluss auf den Waldbestand haben und hier vor allem sichtbar werden: die Expansion von gewerblicher Holzernte, landwirtschaftlichen Aktivitäten (insbesondere Rinderzucht und Sojaanbau) sowie der Abbau natürlicher Rohstoffe der Region (vor allem Kaolin für Porzellan und Bauxit, das für die Produktion von Aluminium benötigt wird) für kommerzielle Zwecke setzen den Wäldern stark zu und erhöhen das Abholzungsrisiko zum Teil erheblich. Zusätzlich zum Konflikt- und Gewaltpotenzial, das besteht, wenn (teilweise illegale) Landnahme stattfindet, um eben diese Aktivitäten durchführen zu können.
Die Vernachlässigung von staatlichen Waldschutzmaßnahmen, der Abbau von ökologischen Vorschriften und die fehlende finanzielle und personelle Ausstattung von Behörden, die für die Einhaltung der Vorschriften zuständig sind, schaden dem Waldbestand weiter.
In diesem Kontext können gut geplante und effektiv umgesetzte Klimaschutzprojekte durch den freiwilligen Kohlenstoffmarkt an Bedeutung gewinnen. Vereinfacht gesagt sollen bei naturbasierten Projekten dieser Art Anreize geschaffen werden, den Wald zu erhalten und den sowohl in der Biomasse der Bäume als auch in den Böden gespeicherten Kohlenstoff nicht in die Atmosphäre gelangen, sondern langfristig gespeichert zu lassen. Landbesitzer:innen in der Region und die lokalen Gemeinden zeigen sich diesen Projekten gegenüber sehr aufgeschlossen und erkennen die Vorteile, die sie beinhalten können. In den Aktivitäten von Carbonext befinden sich die Flächen der Waldprojekte immer im Besitz der Gemeinden und eine Landnahme findet nicht statt.
Einbeziehung der lokalen Gemeinden: ein entscheidendes Erfolgselement
Ganz deutlich wurde mir ein wesentlicher Faktor, den ich bisher nur in der „Theorie“ kannte: Ohne die Einbeziehung der lokalen Gemeinden ist es sehr schwer bis unmöglich, ein gut funktionierendes Klimaschutzprojekt aufzusetzen und durchzuführen. Bei Waldschutzprojekten ist es ein Hauptziel, die Bevölkerung vor Ort mitzunehmen und ihre Beiträge zum Schutz der Wälder sowohl zu würdigen als auch zu entlohnen. Dies verlangt eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den lokalen Gemeinschaften, die unerlässlich ist.
Die Durchführung sozio-ökonomischer Befragungen und Analysen gleich zu Beginn der Planungsphase der Projekte ist dabei ein zentraler Baustein, um Bedarfe und Wünsche der Menschen vor Ort zu integrieren. So können die Projektentwickelnden Maßnahmen implementieren, die auf die jeweiligen Gemeinden zugeschnitten sind und damit eine Akzeptanz und Wirkung erreichen, die noch weit über die Projektlaufzeit gilt. Der eigentliche Schutz des Waldbestands ist so eines von vielen Elementen, das zum Gesamterfolg dieses Projekttyps beiträgt. Weitere positive Effekte der nachhaltigen Entwicklung sollten die Gemeinden der Projektgebiete ebenfalls begünstigen und es war schön zu sehen, dass dieser Aspekt hier stets mitgedacht wird.
Es war ebenso ermutigend zu sehen, wie wichtig die Bevölkerung den Wald als Teil ihrer Lebensgrundlage betrachtet und wie viel ihr der Schutz dieser Gebiete bedeutet.
So berichtete mir Valdiney während meines Besuchs: „Die Arbeit im Waldschutzprojekt gibt mir die Möglichkeit, meine Familie und mich zu versorgen und uns eine Zukunft aufzubauen.“
Ein bereichernder Einblick
Als persönliches Fazit lässt sich für mich festhalten, dass es eine Bereicherung war, einen konkreten Einblick vor Ort in Waldschutzprojekte und die damit verbundenen Abläufe zu erhalten, die für ein gelungenes Vorgehen gegeben sein müssen. Dabei ist mir deutlich vor Augen geführt worden, wie viele Dimensionen mitgedacht und angegangen werden müssen, um ein auf allen Ebenen (ökologisch, sozial, methodologisch, Governance) stimmiges Projekt umsetzen zu können. Am Ende ist es essenziell, dass all diese Faktoren ineinandergreifen, um Klimaschutz in Verbindung mit weiteren Aspekten der nachhaltigen Entwicklung wirkungsvoll zu gewährleisten. Gewiss kein einfaches Unterfangen, aber eines, für das es sich lohnt, sich zu engagieren und auch „aus der Ferne“ in Deutschland im Rahmen seiner Möglichkeiten mitzuwirken.
Zudem war es inspirierend zu erfahren, wie viel wir in Deutschland und Europa in puncto Naturschutz im Austausch mit Menschen und Gemeinden lernen können, die seit Jahren, Jahrzehnten und teilweise Jahrhunderten entsprechende Maßnahmen umsetzen und ihr angesammeltes Wissen und ihre Fähigkeiten über mehrere Generationen hinweg weitergeben und diese heute noch pflegen.
Es lohnt sich in jedem Fall, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und zu beherzigen, was mir João auf den Weg gab: „Der Schutz der Wälder ist für viele Menschen und Landbesitzer in der Region eine Herzensangelegenheit.“
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