Der Mai war ein intensiver Monat. Gleich vier Veranstaltungen standen auf dem Programm, jede mit einem anderen Fokus, aber alle mit dem gemeinsamen Nenner: Wie bringen wir Klimaschutz, Entwicklung und wirtschaftliche Verantwortung zusammen? Wie gestalten wir eine Transformation, die nicht nur notwendig, sondern auch gerecht und zukunftsfähig ist?
Die Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima arbeitet seit ihrer Gründung daran, die Verknüpfung von globaler Entwicklung und Klimaschutz und praktisch und politisch voranzubringen. Der freiwillige Kohlenstoffmarkt ist entscheidend für dieses Ziel, doch seine Zukunft wird zunehmend in einem breiteren Kontext verhandelt: Markt versus Regulierung, die Rolle von Unternehmen und gesellschaftliche Erwartungen an die Glaubwürdigkeit von Klimaschutzmaßnahmen.
Die vier Veranstaltungen im Mai – der Sustainable Investor Summit in Frankfurt, das Greentech Festival in Berlin, die Zukunftskonferenz der Stadtwerke Lübeck und die UPJ-Jahrestagung in Berlin – haben genau diese Fragen aufgegriffen. Und sie haben gezeigt, wie dynamisch sich das Feld des freiwilligen Kohlenstoffmarktes gerade verändert.
In diesem Beitrag möchte ich nicht nur von meiner Teilnahme erzählen, sondern auch einige inhaltliche Entwicklungen herausarbeiten, die uns als Stiftung in den kommenden Monaten begleiten werden. Der freiwillige Kohlenstoffmarkt ist kein Allheilmittel. Er muss eingebettet sein in übergeordnete Strategien zur Transformation von Wirtschaft und Industrie und der Entwicklungszusammenarbeit, denn ohne die Mitnahme der Entwicklungs- und Schwellenländer werden wir die Ziele der Agenda 2030 (SDGs) und des Pariser Vertrages nicht erreichen.
Diese Perspektiven waren in allen Panels präsent. Gleichzeitig war spürbar, wie groß der Orientierungsbedarf auf Unternehmensseite bleibt und wie wichtig es ist, dass wir als Stiftung unsere Rolle als Vermittlerin, Wissensplattform und Unterstützerin weiter ausbauen.
Sustainable Investor Summit: Klimaschutz als Investitionsstrategie? Ein Blick auf neue Allianzen zwischen Finanzwelt und Klimapolitik
Der Sustainable Investor Summit in Frankfurt war kein klassisches Fachforum für Klimapolitik. Und genau das machte die Teilnahme so interessant. Die Veranstaltung, die vom Institutional Capital Forum organisiert wird, versteht sich als Plattform für nachhaltige und wirkungsorientierte Anlagestrategien. Dass der freiwillige Kohlenstoffmarkt hier prominent diskutiert wurde, zeigt: Klimaschutz wird zunehmend als Teil einer langfristigen Investmentstrategie verstanden.
In der Podiumsdiskussion, an der ich teilnehmen durfte, wurde das Thema „Carbon Markets as investment vehicles – Multi-Stakeholder perspectives on opportunities and challenges in the net-zero transition“ behandelt. Zu meinen Gesprächspartnern auf dem Podium gehörten Jonas Jebabli von Munich Re Investment Partners, Roger Naylor von Evli Fund Management, Prof. Dr. Michael Rumberg von Volkswagen ClimatePartner und Dr. Armin Sandhoevel von NIXDORF Kapital. Die Diskussion wurde von Dr. Christian Jasperneite von M.M.Warburg / CAP2 moderiert.
Die Diskussion war spannend, denn sie zeigte, wie differenziert der Blick auf den freiwilligen Kohlenstoffmarkt inzwischen ist. Schnell wurde deutlich, dass Investitionen in CO₂-Zertifikate nicht mehr nur als reine Kompensationsmaßnahme betrachtet werden, sondern als Teil einer breiteren ESG-Strategie (Environmental, Social, Governance). Dabei standen drei Themen besonders im Vordergrund: Marktstruktur und Vertrauen, Entwicklungsländer als Investitionsräume und die Rolle institutioneller Anleger.
Viele Investor:innen wünschen sich klare Regeln und nachvollziehbare Qualitätsstandards für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Der Markt ist in Bewegung, aber noch nicht konsolidiert. Die Diskussion drehte sich mehrfach um die Rolle von Transparenz, Co-Benefits und Monitoring. Ich habe auf unsere Erfahrungen mit dem Siegel SDGold hingewiesen, das wir als Stiftung für herausragende Kombinationen von Klimaschutz und Entwicklungswirkung vergeben. Es ist ein Signal: Wer investiert, darf Wirkung erwarten und übernimmt Verantwortung. Besonders gefreut hat mich das Interesse an naturbasierten Projekten im globalen Süden. Viele der Investoren im Raum hatten bisher wenig Berührung mit solchen Projekten. Ich konnte erläutern, wie wichtig es ist, diese nicht nur als Emissionssenken zu verstehen, sondern als Hebel für Armutsminderung, Biodiversitätsschutz und nachhaltige Infrastrukturentwicklung. Der freiwillige Markt bietet die Chance, private Mittel dorthin zu lenken, wo sie besonders dringend gebraucht werden – wenn er richtig gestaltet ist. Institutionelle Investoren denken in Dekaden, nicht in Quartalen. Diese Langfristigkeit passt gut zur Logik hochwertiger Klimaprojekte, deren Wirkung sich über viele Jahre entfaltet. Aber sie braucht belastbare Rahmenbedingungen. Eigentumsrechte, Absicherung gegen politische Risiken, Zugang zu verlässlichen Projektpartnern. Hier liegt eine zentrale Herausforderung für internationale Kooperation. Als Stiftung können wir nicht alle Probleme lösen – aber wir können Brücken bauen.
Was mich optimistisch stimmt, ist die Bereitschaft, sich auf neue Formen von Partnerschaft einzulassen, die deutlich spürbar war. Anstatt eines Gegeneinanders zwischen Regulierung und Markt zeichnet sich eine neue Denkweise ab, die Investitionen mit Substanz, verankert in Prinzipien der Fairness, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit.
Der Sustainable Investor Summit hat gezeigt, dass sich in der Finanzwelt ein neues Bewusstsein entwickelt. Klimaschutz wird nicht mehr nur als Kostenfaktor gesehen, sondern als Feld für verantwortungsvolles und zukunftsorientiertes Wirtschaften.
Greentech Festival Berlin: Artikel 6 und die Zukunft freiwilliger Märkte
Wenige Veranstaltungen schaffen es, Innovationslust, Technologiedynamik und klimapolitische Grundsatzdebatten so eng zu verweben wie das Greentech Festival in Berlin. Im Mai 2025 war ich eingeladen, dort eine Paneldiskussion zu moderieren, die ein zentrales Thema unserer Zeit aufgriff: „Offsetting Change: Can Article 6 fix what voluntary markets couldn’t?“
Die Debatte war hochaktuell. Die Reform des globalen Kohlenstoffmarkts durch Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens ist in vollem Gange.
Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von BASF (Brigitte Achatz), RWE (Ekaterina Shilina), myclimate (Kai Rassmus Landwehr) und Climate & Company (Simon Pfluger) diskutierten wir über Vertrauen, Standards und Finanzierungslücken. Die Meinungen waren differenziert, aber eines wurde klar: Der Markt braucht Klarheit, Verlässlichkeit und politische Flankierung. Artikel 6 kann ein wichtiges Instrument sein aber nur, wenn nationale Umsetzung, robuste Methodiken und Beteiligung des globalen Südens konsequent mitgedacht werden.
Artikel 6 des Pariser Abkommens schafft erstmals verbindliche Rahmenbedingungen für internationale Kooperation im Klimaschutz. Artikel 6.2 regelt den bilateralen Handel von Emissionsminderungen zwischen Staaten. Diese sogenannten ITMOs müssen transparent dokumentiert und korrekt ausgeglichen werden, um Doppelzählungen zu vermeiden. Artikel 6.4 hingegen ist als multilateraler UN-Mechanismus konzipiert und löst den Clean Development Mechanism ab. Er setzt höhere Maßstäbe an Integrität, Partizipation und Monitoring. Für freiwillige Marktakteure eröffnet sich damit eine neue Möglichkeit. Sie könnten sich künftig stärker mit regulierten Systemen verzahnen, indem sie ihre Projekte beispielsweise unter Artikel 6.4 registrieren oder über nationale Systeme (unter Artikel 6.2) angerechnet werden. Das würde Investitionen erleichtern, setzt aber robuste Regelwerke, Transparenz und eine faire internationale Architektur voraus. Für manche ist Artikel 6 die Zukunft. Für viele bleibt der freiwillige Markt ein unverzichtbares Instrument für Unternehmensengagement, da er schnell und flexibel auf neue Themen reagieren kann, wie z. B. Biodiversität, soziale Co-Benefits oder innovative Technologien wie Carbon Removal.
Ich selbst sehe die größte Wirkung in einer komplementären Entwicklung: freiwillige Märkte, die qualitativ hochwertig sind und dort ansetzen, wo staatliche Mechanismen nicht greifen. Denn ohne private Mittel lässt sich der Finanzierungsbedarf der internationalen Klimapolitik nicht decken. Artikel 6 könnte zur Mobilisierung dieser Mittel beitragen, sofern das System glaubwürdig und fair und reputationsfest konzipiert ist. Es braucht integrative Projektentwicklung, transparente Monitoring-Mechanismen und ein Verständnis dafür, dass Wirkung mehr ist als Emissionsvermeidung. Als Stiftung haben wir stets betont, dass der freiwillige Markt ökologische, soziale und strukturelle Herausforderungen meistern muss. Artikel 6 bietet hierfür eine bedeutende Chance, sofern er nicht als Selbstzweck, sondern als Instrument globaler Gerechtigkeit verstanden wird.
Besonders eindrücklich waren die konkreten Stimmen der Unternehmen. Brigitte Achatz von BASF formulierte etwa: „Wir beobachten den VCM. Wir hoffen, dass das neue System rund um Artikel 6 robust sein wird, damit mehr private Gelder für den Klimaschutz zur Verfügung stehen. Wir hoffen auf konkrete Erfahrungen, damit Unternehmen wie unseres wissen, wie sie investieren können.“ Und Ekaterina Shilina von RWE ergänzte, dass möglichst viele Länder Artikel 6 integrieren sollten, damit Anreize für privates Kapital geschaffen würden, um die Klimafinanzierungslücke zu schließen.
Für mich persönlich war das Greentech Festival nicht nur eine Plattform für Debatte, sondern auch ein Ort des Zuhörens und Verstehens. Die Diskussion um Artikel 6 ist komplex, aber sie lohnt sich, weil sie die Weichen für die Zukunft des globalen Klimafinanzsystems stellt. Die Stiftung wird weiterhin Räume schaffen, in denen faktenbasierte, praxisnahe und offene Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Perspektiven geführt werden können.
UPJ-Jahrestagung in Berlin: Verantwortung jenseits von Kompensation
Am 28. Mai fand in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin die UPJ-Jahrestagung statt – ein jährlicher Treffpunkt für Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Akteure, die gesellschaftliche Verantwortung nicht als Zusatz, sondern als integralen Bestandteil ihres Handelns verstehen.
Ich war eingeladen, am Panel zur Frage teilzunehmen, wie Unternehmen durch das sogenannte Contribution Claim-Modell wirkungsvolle Beiträge zum Klimaschutz und zur Entwicklung leisten können – auch jenseits klassischer CO2-Kompensation. Mit mir diskutierten Kirsten Gade (Brot für die Welt), Sven Johannssen (Siemens Energy) und Daniel Schneiders (Bayer). Die Moderation übernahm Simon Probst vom UPJ. Die Debatte war für mich aus mehreren Gründen von großer Bedeutung. Es zeigte sie, dass viele Unternehmen bereit sind, ihre Klimastrategien über die bloße Kompensation von Emissionen hinaus zu erweitern und aktiv an der Gestaltung nachhaltiger Transformationen mitzuwirken. Darüber hinaus rückt die entwicklungspolitische Dimension zunehmend in den Fokus.
Ich habe in der Diskussion unterstrichen, wie wichtig es ist, Wirkung transparent zu dokumentieren und gleichzeitig offen mit Zielkonflikten umzugehen. Die von uns empfohlenen Projekte erzeugen nicht nur Emissionsreduktionen, sondern tragen auch konkret zur Agenda 2030 bei, indem sie Klimaschutzmaßnahmen mit Co-Benefits erweitern. Der Contribution Claim-Ansatz trägt diesem ganzheitlichen Verständnis Rechnung. Besonders wichtig ist mir, dass Entwicklungsländer nicht einfach nur „Projekträume“ sind. Sie sind Partner:innen mit eigenen Vorstellungen, Interessen und Bedingungen. Daher sollten Unternehmen, die Verantwortung übernehmen, nicht nur auf Effizienz achten, sondern auch auf Gerechtigkeit, Partnerschaftlichkeit und Transparenz.
Viele Teilnehmende der Tagung signalisierten Offenheit für diesen Weg. Gleichzeitig wurde auch bei dieser Veranstaltung wieder deutlich, dass mehr Orientierung notwendig ist. Als Stiftung liegt es in unserer Verantwortung, unser Wissen zu teilen, gute Praxis sichtbar zu machen und Unternehmen zu unterstützen, die sich weiterentwickeln möchten.
Die UPJ-Jahrestagung war ein Ort für einen spannenden Austausch. Am Infostand der Stiftung konnten wir viele Gespräche führen, neue Kontakte knüpfen und konkrete Unterstützungsbedarfe aufnehmen.

Klimaschutz jenseits von Kompensation ist kein Widerspruch, sondern eine Erweiterung der Perspektive. Und sie ist notwendig, wenn wir Wirkung dort entfalten wollen, wo sie am meisten gebraucht wird.
Zukunftskonferenz Lübeck: Nachhaltigkeit als kommunale Verantwortung – und Chance
Am 27. Mai war ich zu Gast bei der Zukunftskonferenz der Stadtwerke Lübeck. Die Konferenz stand unter dem Motto „Nachhaltigkeit“ und brachte Vertreter:innen aus Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Im Future Talk diskutierte ich gemeinsam mit Janina Lin Otto von der Holistic Foundation über die Integration von Nachhaltigkeit in Stadtwerken, Kommunen und Unternehmen, wobei wir Finanzierung, politische Weichenstellungen und gesellschaftliches Vertrauen thematisierten.
Was mich beeindruckt hat, war die Ernsthaftigkeit, mit der gerade kommunale Unternehmen über ihren Beitrag zur Transformation nachdenken. Die Themen waren breit gefächert: von Wärmewende über CSRD-Reporting bis hin zur Frage, wie Employer Branding über Nachhaltigkeit funktioniert. Und immer wieder stand die Frage im Raum: Wie kommen wir vom Reden ins Tun und wie organisieren wir das gemeinsam?
In unserem Gespräch haben wir uns mit kommunalen Klimastrategien, freiwilliger Kompensation und der Frage beschäftigt, wie globale Verantwortung lokal verankert werden kann. Städte und Gemeinden spielen dabei eine besondere Rolle, da sie für Infrastruktur und öffentliche Versorgung verantwortlich sind und unmittelbar mit den Menschen in Kontakt stehen. Dadurch können sie Vertrauen in komplexe Transformationsprozesse aufbauen.
Lübeck hat mir gezeigt, dass viele Menschen Verantwortung übernehmen wollen, wenn man ihnen den Raum dazu gibt. Die Zukunftskonferenz war ein offener, engagierter und praxisnaher Raum, der die Bedeutung des kommunalen Sektors für die Erreichung globaler Klimaziele hervorgehoben hat. Die Stiftung wird diesen Dialog weiter suchen und kommunale Akteure mit internationalen Entwicklungen vernetzen, denn Nachhaltigkeit beginnt oft in Städten.
Ein Monat, viele Gespräche und ein klarer Auftrag
Was ich aus dem Mai mitnehme, ist mehr als eine Sammlung von Panels und Vorträgen. Es ist ein deutliches Zeichen für einen Wandel: In der Finanzwelt, in den Kommunen, in der Gesellschaft und in Unternehmen wächst das Bewusstsein, dass Transformation nicht allein von der Politik getragen werden kann. Es bedarf Allianzen, einer neuen Sprache und eines tieferen Verständnisses für komplexe Themen wie CO₂-Bepreisung, Artikel 6, freiwillige Märkte und Contribution Claims.
Als Stiftung ergibt sich für uns daraus ein klarer Auftrag. Wir müssen weiterhin Orientierung bieten, die Sicherung von Qualität unterstützen und die Vernetzung der Akteure fördern sowie die berechtigten Interessen der Unternehmen in die Überlegungen einbeziehen. Die Nachfrage nach fachlich fundierten und zugänglichen Informationen wächst stetig, ebenso wie der Bedarf an konkreter Unterstützung bei der Umsetzung glaubwürdiger Klimastrategien.
Dazu gehört auch, unbequeme Fragen nicht auszublenden. Wer profitiert eigentlich von Kompensation? Wie lässt sich Wirkung messen, ohne sie zu simplifizieren? Was bedeutet gerechter Übergang („just transition“) in Kontexten mit völlig unterschiedlichen Ressourcen und Möglichkeiten? Und was können Akteure im globalen Süden selbst einfordern, wenn es um Partnerschaft auf Augenhöhe geht?
Ich danke allen Veranstalter:innen und Mitdiskutierenden für den offenen Austausch. Unsere Aufgabe endet nicht mit dem Panel oder dem Eventkalender. Sie beginnt dort, wo konkrete Umsetzung gefragt ist. Und sie gelingt nur gemeinsam. Die Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima wird diesen Weg weiter mitgehen – als Brückenbauerin, Impulsgeberin und als Plattform für diejenigen, die Verantwortung ernst nehmen.