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Einordnung zur aktuellen Debatte zu Waldschutz-Projekten

13.03.2023. Wälder leisten einen wesentlichen Beitrag, um den Klimawandel einzudämmen. Insbesondere Naturwälder können große Mengen an CO2 speichern und tragen gleichzeitig zum Erhalt der Biodiversität bei. Inwieweit Emissionszertifikate aus dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt den Schutz von Wald und Klima befördern, wird derzeit vielfach diskutiert. Insbesondere wird die Überbewertung von Emissionszertifikaten, die fragliche Permanenz der Waldprojekte wie auch die Einschränkung der Landrechte indigener Bevölkerungsgruppen stark kritisiert.

Die Chancen und Risiken, insbesondere hinsichtlich der im freiwilligen Kohlenstoffmarkt gehandelten Zertifikate, diskutierte die Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima in einem Online-Seminar am 16. Februar 2023 gemeinsam mit Fachexpert:innen und den Unterstützer:innen der Allianz.

Dazu ordneten Dr. Sabine Reinecke, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, und Moriz Vohrer, Ecosystem Value Association e.V. (eva), die aktuelle Debatte aus ihrer Arbeitspraxis ein.

Dr. Reinecke gab zunächst Einblicke in die komplexen Berechnungsmethodiken der sog. Baselines für Waldschutzprojekte. Diese beschreiben das hypothetische Emissionsszenario und die prognostizierten Veränderungen im Kohlenstoffbestand, die ohne die Wirkungen des vorgeschlagenen Projekts eintreten würden. Dabei wurde insbesondere deutlich, wie schwierig die Vergleiche sind. Insgesamt teilte Dr. Reinecke die Einschätzung, dass es leicht zu einer Überbewertung der Projekte in Bezug auf die Anzahl der Emissionszertifikate kommen könne, aber wohl nicht in dem in den Medien kursierenden Maße. Immerhin hätten die Standards verschiedene Instrumente zur Verfügung, um das Problem der ‚absichtsvollen Aufblähung von Baselines‘, immerhin zu einem gewissen Maße zu begegnen, wie etwa den gelebten Konservativismus in den Kohlenstoffberechnungen, der Anpassung der Baselines über die Zeit, oder der Anwendung von sog. Risikobuffern. In dieser Hinsicht griffen die betrachteten Studien und Medienbeiträge tatsächlich auch zu kurz und ließen so keine umfassende Bewertung zu.

Beide Expert:innen hoben insbesondere hervor, dass der Waldschutz keinesfalls auf die Vermeidung von THG-Emissionen reduziert werden sollte. Häufig schafften die Projekte für die lokalen Gemeinden in der Projektregion die notwendigen und wichtigen Anreize, die Waldflächen als schützenswert anzuerkennen und stehen zu lassen oder Möglichkeiten der Einkommensgenerierung (z.B. Ökotourismus) und Nahrungsmittelproduktion (z.B. alternative Landnutzungsformen) zu erschließen. Zudem sei die Erhaltung von Wäldern ein wichtiger Bestandteil für den Erhalt der Biodiversität und dafür fehlt es in der Praxis oft an einer Finanzierungsalternative, betonten die beiden Expert:innen.

Moriz Vohrer stellte heraus, dass Wald als Holzlieferant, Kohlenstoffsenke, Erholungs- und Lebensraum eine Multifunktionalität erfülle und zum Erhalt der Biodiversität beitrüge. Die Artenviefalt hat aktuell noch keine international einheitliche und akzeptierte Einheit, wie Tonnen CO2 im Klimaschutz, die als Grundlage für eine Skalierbarkeit von Inwertsetzungmechanismen dienen kann.

REDD+-Zertifikate basieren weniger auf der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre (sog. Removals) und dem Wachstum von Wäldern, als auf der Vermeidung von Abholzung. Daher können in kurzer Zeit wesentlich mehr  Zertifikate entstehen als bspw. bei Aufforstungen (A/R Projekten), so Vohrer.

Dr. Reinecke ergänzte, dass es deshalb umso wichtiger  sei, die Baseline bei REDD+Projekten in den Blick zu nehmen.  Für den Ausgleich ihrer Emissionen suchten Unternehmen häufig genaue Zahlen. Der Fakt, dass Natur nie exakt sei, würde durch die Mittelwerte und Minimumwerte (conservative approach) in der Berechnung gelöst, so Vohrer, und Standards würden aus diesem Grund kontinuierlich auf Basis von Praxiserprobung weiterentwickelt. Seiner Meinung nach, sollten sich Unternehmen dessen bewusst sein, wenn sie einen Ausgleich mit Wald-Projekten anstrebten. Sofern es Unternehmen nicht um den exakten Ausgleich von Tonnen CO2 ginge, sondern um den Wald im Sinne eines ganzheitlichen Beitrages zum Erhalt von wichtigen Lebensräumen, die Mensch, Umwelt und Klima nützen, könnte dies alternativ über das sog. Contribution Claim-Modell finanziert werden.

Mit dem Contribution Claim-Ansatz wird aktuell ein alternatives Modell entwickelt, mit dem Unternehmen über private Finanzierungsbeiträge globalen Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung fördern können. Weiterführende Informationen finden Sie dazu in unserem Infosheet.

Die Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima hat gemeinsam mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie ein transdisziplinäres Projekt initiiert, in dem das Konzept des Contribution Claims und seine Merkmale gemeinsam mit Stakeholdern aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft näher beleuchtet und ausgearbeitet werden. Über die Entwicklung informieren wir Sie!

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