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Was bedeuten die Ergebnisse der COP27 für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt?

© Unsplash.com/Matthew TenBruggencate

07. Dezember 2022

Eine Zusammenstellung der wichtigsten Erkenntnisse aus dem digitalen Experten-Seminar mit Dr. Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut e.V.

Nach den Beschlüssen zu Artikel 6 des Pariser Klimaschutzabkommens auf der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow im Jahr 2021 und damit dem Finalisieren des gesamten Regelwerks für das Abkommen (Paris Rulebook) ging es bei der diesjährigen COP27 in Sharm el-Sheikh u.a. darum, wie die Regeln unter Artikel 6 (Internationale Kooperationsmechanismen für den Klimaschutz) konkretisiert und operationalisiert werden sollen. Die Entscheidungen regulieren den freiwilligen Kohlenstoffmarkt nicht direkt, üben jedoch einen starken Einfluss auf ihn und seine Akteure und Prozesse aus. Nicht alle Verhandlungspunkte konnten abgeschlossen werden und wurden auf das kommende Jahr verschoben. 

Im Nachgang zur COP27 fand am Dienstag, den 29. November 2022, ein Online-Seminar mit dem Experten Dr. Lambert Schneider vom Öko-Institut statt, in dem einige der wichtigsten Punkte zu Artikel 6 und den Auswirkungen auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt besprochen wurden.

Artikel 6.2
Unter Artikel 6.2 wurde u. a. bereits auf der COP26 verhandelt, wie die Nationalstaaten ihre Berichtspflichten erfüllen müssen. Staaten müssen unter anderem darüber berichten, wie sie internationale Kohlenstoffmärkte für die Erreichung ihrer nationalen Klimaschutzziele (Nationally Determined Contributions, NDCs) einsetzen und welche Emissionsminderungen autorisiert und transferiert wurden. Für die Überprüfung der Länderberichte wurden auf der COP27 Richtlinien angenommen, mit denen nachvollzogen werden kann, ob die Länder ihre Verpflichtungen unter dem Pariser Abkommen in Bezug auf Kohlenstoffmärkte einhalten. Die Infrastruktur für den internationalen Emissionshandel (Register, Datenbanken, Plattformen und ihre Verknüpfungen) wurde ebenfalls verhandelt. Informationen aus den Registern der freiwilligen Kompensationsstandards – wie dem Gold Standard oder dem Verified Carbon Standard (VCS) – können hier auch miteinfließen.

Artikel 6.4
Der neu eingerichtete Mechanismus unter Artikel 6.4 tritt die Nachfolge zum Clean Development Mechanism (CDM) aus dem Kyoto-Protokoll an. Die Arbeit des dafür geschaffenen Aufsichtsorgans zur Regulierung von Maßnahmen unter diesem Mechanismus – der sog. Supervisory Body – wurde im Juli dieses Jahres aufgenommen. Sein weiterer Arbeitsplan für 2023 wurde auf der COP bestätigt.
Definitionen des Supervisory Body zur Frage, welche Maßnahmen als Emissionssenken (Carbon Removals) gelten sollen und unter welchen Umständen sie Zertifikate ausgeben dürfen, wurden durch die Mitgliedsstaaten nicht angenommen und zur genaueren Ausarbeitung zurückgegeben.

Unter Artikel 6.4 wird es grundlegend zwei Arten von Zertifikaten geben, die in den Registern entsprechend gekennzeichnet sein werden und die auch im freiwilligen Kohlenstoffmarkt gekauft werden können. Einerseits die von den Gaststaaten der Projekte autorisierten Zertifikate (Authorized A6.4ERs, ER steht für Emission Reductions), die aus der Emissionsbilanz dieser Länder herausgerechnet werden und damit durch ein Corresponding Adjustment eine Doppelzählung vermeiden. Andererseits die nicht autorisierten Zertifikate, die eine Gefahr der Doppelzählung beinhalten könnten zwischen Gastland und einem kaufenden Unternehmen, das sich diese Zertifikate z. B. für seinen Anspruch auf „Klimaneutralität“ anrechnen möchte. Letztere tragen nun den Namen Mitigation Contribution A6.4ERs. Auch wenn der freiwillige Kohlenstoffmarkt nicht explizit in den Entscheidungen genannt ist, kann die Bezeichnung als Hinweis gedeutet werden, dass sie auch als alternative Finanzierungsbeiträge zum Klimaschutz und für Emissionsreduktionen von Ländern (sog. Contribution Claims) gehandelt werden könnten – ohne Anrechnung auf die eigene Klimaneutralitäts-Bilanz.

Übergang vom Clean Development Mechanism (CDM) zum Artikel 6.4-Mechanismus
Für Klimaschutzprojekte, die vom CDM in den neuen Artikel 6.4-Mechanismus übertragen werden sollen, wurde der Transitionsprozess weiter ausgestaltet. Im Juni 2023 soll das genaue Verfahren beschlossen werden und bis zum 31. Dezember 2023 können Projektentwickler:innen den Antrag zur Übertragung stellen, danach kann das jeweilige Projekt nicht mehr überführt werden. Die Genehmigung des Gastlandes muss bis zum 31. Dezember 2025 erteilt werden. Für Projekte, die in den neuen Mechanismus übergehen sollen, wird der Anrechnungszeitraum (crediting period) am 01. Januar 2021 beginnen. Es sollen mögliche Übergangslösungen erarbeitet werden, falls es noch keine Methoden für Projekte unter dem Artikel 6.4-Mechanismus gibt.
Der CDM und somit die Ausgabe oder freiwillige Löschung von Zertifikaten für den freiwilligen Markt wird in der Zukunft schrittweise eingestellt. Ein Ablaufplan mit Zeitangaben wird auf der COP28 in November 2023 verhandelt.

Sonstige Entwicklungen
Eine von António Guterres ins Leben gerufene Experten-Gruppe (UN High-Level Expert Group on the Net Zero Emissions Commitments of Non-State Entities) stellte ihren Bericht vor. Dieser enthält Empfehlungen für Unternehmen, Städte und Regionen zu ambitionierten Klimaschutzstrategien. Dazu zählen massive und umfassende Emissionsreduktionsziele auf wissenschaftlicher Basis und ausgerichtet auf den 1,5°C-Pfad, der Kauf von qualitativ hochwertigen Ausgleichszertifikaten als Ergänzung der eigenen Bemühungen sowie Transparenz in der Kommunikation. Die Verfasser:innen des Berichts fordern, Investitionen und eine Förderung von fossilen Projekten und Infrastrukturen zu unterlassen und stattdessen die Skalierung von erneuerbaren Energien zu fördern. Die Empfehlungen wurden zudem explizit in der politischen „Mantelentscheidung“ der COP27 begrüßt und untermauern damit nochmals die Bedeutung von robusten und integren Klimaschutzstrategien von privaten Akteur:innen.

 

Die Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima wird die weiteren Entwicklungen auf dem freiwilligen Kompensationsmarkt begleiten und ihre Unterstützer:innen darüber informiert halten.

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