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Klimakonferenz COP26

© UKCOP26.ORG

Die Klimakonferenz in Glasgow endete am 13. November mit dem „Klimapakt von Glasgow“. Damit vervollständigten die Vertragsparteien das Regelwerk des Art. 6 des Pariser Klimaschutzabkommens, betonten nochmals das 1,5 °C-Ziel und verwiesen erstmalig auf den Ausstieg aus der ungebremsten Kohleverstromung sowie die Abschaffung ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe. 

Es ist abzusehen, dass die staatlichen Maßnahmen auch nach der Konferenz von Glasgow nicht ausreichen, um den globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2 °C bzw. auf 1,5 °C zu begrenzen. Private Akteure insbesondere aus Wirtschaft und Industrie bleiben daher in besonderem Maße gefordert. Die Stiftung setzt sich weiterhin dafür ein, dass Klimaschutz ganzheitlich und verantwortungsbewusst betrachtet wird. Vor allem wird sie weiter mithelfen, das vor und in Glasgow kreierte Momentum privater Akteure zu ambitioniertem Klimaschutz und stärkerer Klimafinanzierung weiter voranzutreiben und sich in den kommenden Monaten dafür einsetzen, dass sich auch auf dem freiwilligen Markt qualitativ hochwertige Standards durchsetzen werden, die u.a. eine Doppelzählung von Emissionsreduktionen verhindern sowie darüber hinaus Entwicklungswirkungen im Sinne der Agenda 2030 entfalten.

 

1. Zentrale Ergebnisse allgemein

1.1 1,5 °C-Ziel
Die Formulierung im Abschlusstext der Konferenz (auch „Glasgow Climate Pact“ genannt) erkennt an, dass die Auswirkungen des Klimawandels bei einer zusätzlichen, durchschnittlichen Erwärmung von 1,5 °C im Vergleich zu 2 °C „viel geringer“ sein werden. Die Staatengemeinschaft beschließt daher, ihre Bemühungen fortzusetzen, um an der unteren Grenze zu bleiben.
Dafür braucht es Maßnahmen, die eine schnelle, massive und nachhaltige Reduktion von Treibhausgasen weltweit bewirken, inklusive einer Reduktion von 45 % CO2 bis 2030 im Vergleich zu 2010; bis zur Mitte des Jahrhunderts soll „net-zero“ angestrebt werden – Ziele, die den wissenschaftlichen Analysen des Weltklimarates IPCC entsprechen. Es handelt sich daher um eine Betonung des 1,5 °C-Ziels des Pariser Klimaabkommens und ein Appell an die internationale Gemeinschaft dieses selbstgesetzte Ziel zu erreichen.

1.2 Nationally Determined Contributions (NDCs)
Die Staaten sind unter dem Pariser Klimaabkommen dazu angehalten, alle fünf Jahre neue, ambitioniertere Klimaschutzpläne einzureichen, die u. a. beschreiben, wie hoch die Reduktion von Treibhausgasen jeweils sein und wie diese erreicht werden soll. Mehr als 150 Staaten legten im Vorfeld und während der COP neue oder aktualisierte NDCs bei der UN vor, inklusive China als größter Emittent von Treibhausgasen.
Die Staaten wurden nun dazu aufgefordert, ihre Ziele bis Ende 2022 (drei Jahre früher als ursprünglich geplant) zu überprüfen und zu verstärken, um das angestrebte Temperaturziel des Abkommens erreichen zu können. Dabei sollen die unterschiedlichen nationalen Umstände berücksichtigt werden.

1.3 Kohleausstieg
Trotz der Änderung in letzter Minute, die hauptsächlich von Indien und China eingebracht wurde und anstatt eines „phase out“ (sinngemäß ein „schrittweises auslaufen lassen“) lediglich ein „phase down“ („herunterfahren“) der Energieerzeugung durch Kohle beschreibt, kann die bloße Erwähnung einer weltweit angestrebten Abkehr von Kohle und von Subventionen für andere fossile Brennstoffe in der Abschlusserklärung einer Klimakonferenz als wichtiger Schritt in die richtige Richtung betrachtet werden. Solch eine Erwähnung fand sich in keiner der Abschlusserklärungen von vorherigen UN-Klimagipfeln.

1.4 Klimafinanzierung
Die Industriestaaten werden ihre 2009 geäußerte Zusage, die besonders vom Klimawandel betroffenen Staaten mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu unterstützen, voraussichtlich erst ab 2023 einhalten können – drei Jahre später als geplant. Im Zuge dessen war die internationale Klimafinanzierung eines der strittigsten Themen auf der diesjährigen COP. Die Länder einigten sich auf einen Prozess zur Entwicklung eines neuen, umfangreicheren Ziels zur Klimafinanzierung, das nach 2025 in Kraft treten soll.
Ein wichtiges Signal ging von der Entscheidung aus, dass die Gelder der Industriestaaten an Entwicklungsländer für den Bereich Anpassung mindestens verdoppelt werden sollen, um eine stärkere Balance zwischen „Mitigation“ (Minderung) und „Adaptation“ (Anpassung) bei der Bereitstellung von finanziellen Mitteln zu erzielen. Dies ist besonders für diejenigen Länder maßgeblich, die Gelder benötigen, um sich bspw. an extreme Wetterereignisse anzupassen und ansonsten Schwierigkeiten haben, überhaupt Mittel dafür zu erhalten.

1.5 Loss & Damage
Bezüglich „Loss & Damage” – unvermeidbare Verluste und Schäden, die durch bereits auftretende Folgen des Klimawandels wie Dürren, Stürme und Überflutungen entstehen und wo Anpassungsmaßnahmen nicht mehr möglich sind – konnte keine abschließende Einigung über einen expliziten Finanzierungsmechanismus erzielt werden. Auch angemessene finanzielle Zusagen blieben bislang aus. Das Thema wurde vor allem von Entwicklungsländern prominent auf die Agenda gesetzt und ist – zur Ernüchterung dieser – für weitere Verhandlungen auf die nächste COP verschoben worden. Eine Fachkommission („Technical Support Body“) seitens der UN soll eingesetzt werden, um im weiteren Austausch darüber zu bleiben. Es ist davon auszugehen, dass das Thema bei zukünftigen Klimakonferenzen eine entscheidende Rolle einnehmen wird.

1.6 Weitere zentrale Ankündigungen und Initiativen
1.6.1 Methan
Es wurde ein sog. „Global Methane Pledge” vereinbart, der von über 100 Staaten unterzeichnet wurde, die sich darin verpflichten, ihre Methanemissionen von 2020 bis 2030 um 30 % zu senken. Entscheidende Methan-Emittenten wie China, Indien, Russland und Australien haben sich dieser Erklärung jedoch nicht angeschlossen.

1.6.2 Entwaldung und Landnutzung
Die von mehr als 130 Staaten unterzeichnete „Glasgow Leaders‘ Declaration on Forests and Land Use” sieht vor, den Verlust von Wäldern und die Degradierung von Böden bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Durch öffentliche Mittel für den Erhalt von Wäldern soll ein globaler Fahrplan unterstützt werden, um 75 % der Lieferketten für Forstrohstoffe nachhaltig aufzustellen.

1.6.3 Emissionsfreier Straßenverkehr
Im Rahmen einer weiteren gesonderten Vereinbarung erklärte eine Koalition aus Ländern, Automobilherstellern, Städten und Regionen und diversen Organisationen und Unternehmen, dass alle Verkäufe von Neuwagen und Transportern weltweit bis 2040 und in führenden Märkten dieses Sektors bis spätestens 2035 emissionsfrei sein sollen. Deutschland, USA und China sind allerdings nicht Teil dieser Vereinbarung, genauso wenig wie einige der größten Automobilhersteller.

 

2. Regelwerk von Paris

2.1 Fertigstellung des Regelbuchs zum Übereinkommen von Paris
Ein zentrales Ziel der Glasgower Klimakonferenz wurde erreicht: die Verabschiedung des Regelwerks zur Regulierung des internationalen Emissionshandels (Art. 6 des Pariser Klimaabkommens). Dies soll insbesondere verhindern, dass Emissionsreduktionen doppelt gezählt werden können.
Die wichtigsten Punkte beinhalten u.a.:
• Nach Art. 6.2. sind nun umfassende Bilanzierungsregelungen vereinbart worden, die die Anpassung von Emissionsgutschriften der Länder über sog. „Corresponding Adjustments“ regeln. Dies stellt sicher, dass nur das Land, das die Emissionsreduktionen gekauft hat, sich diese auch auf die Bilanz anrechnen kann und damit Doppelzählungen vermieden werden.
• Diese Bilanzierung wird nun ausschließlich in CO2-Äquivalenten berechnet und muss ohne Ausnahme von allen Ländern durchgeführt werden. Insbesondere wurde auch durchgesetzt, dass es keine Ausnahme von der Bilanzierung gibt, d.h. auch Wirtschaftsbereiche, die nicht durch NDCs abgedeckt sind, werden miteingeschlossen. Hierdurch sollen Fehlanreize in Richtung schwacher NDCs verhindert werden.
• Zudem verbieten die Regeln die Übertragung von Emissionsgutschriften von einem NDC-Zeitraum auf den nächsten. Damit wird verhindert, dass Länder große Mengen an Emissionsgutschriften generieren, die nicht durch tatsächliche Emissionsreduktionen gedeckt sind und diese dann nutzen könnten, um zukünftige Klimaziele zu erreichen.
• Als großes Schlupfloch wird von Analyst:innen allerdings bewertet, dass der Mittelwert der übertragenden Emissionsgutschriften im Zieljahr zur Bilanzierung zugelassen wird und damit z.B. Emissionsreduktionen aus dem Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) doppelt gezählt werden könnten (siehe dazu die Erläuterung im Anhang).
• Das neue Regelwerk bestimmt in Art. 6.4 zudem die obligatorische Annullierung von 2 % aller Gutschriften, die im Rahmen des neuen zentralisierten Kohlenstoffmarktes gehandelt werden („overall mitigation in global emissions“, OMGE). Damit geht der Mechanismus über die reine Bilanzierung zwischen zwei Ländern hinaus und rechnet – wenn auch noch in sehr geringem Umfang – einen Teil allgemein der Atmosphäre zu. Die so annullierten Zertifikate dürfen nicht mehr weiter übertragen oder für andere Zwecke verwendet werden. Bei Transaktionen, die unter 6.2 stattfinden, wird zu einer entsprechenden Stilllegung nur „ausdrücklich ermutigt“, so dass sie nur freiwillig vorgesehen ist.
• Ebenfalls unter Art 6.4 müssen 5 % der Einnahmen an den Anpassungsfonds (Adaptation Fund) fließen, um diejenigen Staaten finanziell zu unterstützen, die besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Für Maßnahmen unter Art 6.2 ist dies auch freiwillig, wird jedoch gleichermaßen empfohlen.
• Im Vergleich zum CDM (Clean Development Mechanism) sichern die neuen Regelungen zudem ab, dass Emissionsreduktionen robust quantifiziert werden und die Minderungsaktivitäten zusätzlich sind, d.h. dass sie nicht ohnehin umgesetzt werden würden. Im Gegensatz zum CDM werden zudem die Anwendung robuster ökologischer und sozialer Schutzmaßnahmen eingefordert und es werden Berufungen von Regierungen und Projektentwicklern gegen Entscheidungen ermöglicht.

2.2 Auswirkungen des Regelwerks auf den freiwilligen Kohlenstoffmarkt
• Das neue Regelwerk wird sich auch stark auf den freiwilligen Kohlenstoffmarkt auswirken. So müssen z.B. die Emissionsgutschriften unter CORSIA von den Ländern genehmigt und entsprechende Corresponding Adjustments angesetzt werden.
• Die Länder einigten sich darauf, dass der neue Mechanismus nach Artikel 6.4 zwei Arten von Emissionsgutschriften ausgeben wird: eine Gutschrift, die von Ländern genehmigt und somit durch entsprechende Corresponding Adjustments hinterlegt ist, und eine, die dies nicht ist (authorized and non-authorized credits bzw. credits with and without backing of Corresponding Adjustments). Die nicht autorisierten Emissionsreduktionen können in den nationalen Emissionshandelssystemen verwendet werden. Ob bzw. inwieweit sie im freiwilligen Kohlenstoffmarkt zur Kompensation von Emissionen genutzt werden dürfen, wurde nicht geklärt. Auch für Unternehmen ist der Art. 6.4. allerdings ein klarer Hinweis, dass es für die Integrität von Zertifikaten notwendig ist, dass nur Zertifikate mit Corresponding Adjustments auf die eigenen Emissionsbilanzen angerechnet werden sollten.

2.3 Übernahme von CDM-Zertifikaten
• Der Übergang von CDM-Projekten ab 2013 wurde in das Pariser Abkommen übernommen. Die Verwendung dieser alten Zertifikate durchlöchert die Klimaziele unmittelbar, da es sich um Zertifikate aus dem “ „Kyoto-Zeitalter” handelt, die keine zusätzlichen Emissionsminderungen unter dem Zeitfenster des Pariser Abkommens darstellen. Zudem stehen sie in dem Ruf, dass es ihnen an ökologischer Integrität fehlt und viele der damit finanzierten Projekte auch ohne die finanzielle Unterstützung durchgeführt worden wären. Inwieweit diese unzureichenden Gutschriften, deren Units auf 100 bis 320 Millionen geschätzt werden (NewClimate Institute/Öko-Institut, Environmental Defense Fund, EDF), tatsächlich in das neue Handelssystem überführt und gehandelt werden und ob Länder die Hinterlegung mit Corresponding Adjustments zulassen, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen. Diese alten Zertifikate dürfen jedoch nur für die Erreichung der Ziele des jeweils ersten NDCs eines jeden Staates verwendet werden, was quasi als „Ablaufdatum“ gesehen und damit als abmilderndes Zeichen bewertet werden kann. Außerdem sollen diese Zertifikate mit entsprechendem Datum gekennzeichnet sein, damit Käuferinnen und Käufer sie eindeutig identifizieren und ihre Kaufentscheidung davon abhängig machen können.

2.4 Gesamteinschätzung des Regelwerkes
• Auch wenn es grundsätzlich viel Zustimmung zu der Verabschiedung des Regelwerks des Art. 6 gegeben hat, bewerten zahlreiche Analyst:innen diese Regelungen als nicht ausreichend, um die erforderliche Integrität der Kohlenstoffmärkte vollständig zu gewährleisten (Siehe u.a.: www.sciencemediacenter.de; www.blog.oeko.de; www.carbonmarketwatch.org; www.sciencemediacenter.de; www.wri.org). Insbesondere die Übernahme der CDM-Zertifikate als die Unklarheiten hinsichtlich der Verwendung von Zertifikaten ohne Corresponding Adjustments wird vielfach kritisch gesehen. Entscheidend wird daher sein, wie zukünftig Länder als auch private Akteure den Artikel 6 auslegen und umsetzen.

 

3 Privatsektor als Treiber für eine beschleunigte Dekarbonisierung

• Erstmalig haben sich neben der Zivilgesellschaft auch große Teile der Privatwirtschaft und des Finanzsektors auf einer Klimakonferenz als treibende Kraft für eine beschleunigte Dekarbonisierung der Wirtschaft gezeigt. Insbesondere die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) hat hier ein starkes Signal gesetzt: Über sie wurden mehr als 130 Billionen US-Dollar an privatem Kapital verpflichtet, die Wirtschaft in Richtung Netto-Null zu transformieren. Diese Zusagen von mehr als 450 Unternehmen aus 45 Ländern repräsentieren ca. 40 % der weltweiten Finanzflüsse und könnten die geschätzten 100 Billionen US-Dollar an Finanzmitteln bereitstellen, die für die Zielerreichung für Netto-Null in den nächsten drei Jahrzehnten benötigt werden.
Daneben lässt sich erkennen, dass eine Beschleunigung der Klimaschutzmaßnahmen in der gesamten Realwirtschaft zu erwarten ist. Dies zeigt sich u.a. auch an der wachsenden Zahl an Netto-Null-Zusagen. Hier fehlt es derzeit allerdings noch häufig an Instrumenten und der branchenweiten Koordinierung, um diese Zusagen umzusetzen.
• Im Vorfeld der COP26 hat zudem die SBTi (Science Based Target initiative) einen Corporate Net-Zero Standard für große Unternehmen (ab 500 Beschäftigte) veröffentlicht, der erstmalig einen Standard für die Setzung und Umsetzung von Netto-Null-Zielen für Unternehmen festlegt.
Es zeichnet sich ab, dass sich dieser Standard weltweit durchsetzen könnte für Unternehmen, die ernsthafte Klimaziele verfolgen und diese auch transparent kommunizieren wollen – bzw. auch müssen, da Finanzinstitute und Regierungen Unternehmen zukünftig auffordern werden, z.B. im Rahmen ihrer ESG-Berichtspflichten, mehr Informationen über ihre Klimarisiken und ihre Pläne für Klimaschutzmaßnahmen offenzulegen.
Nach dem Net-Zero Standard sollen Unternehmen sich:
1) Primär auf eine schnelle, tiefgreifende Senkung der Emissionen in den eigenen Wertschöpfungsketten setzen (dies bedeutet für die allermeisten Unternehmen eine Dekarbonisierung von 90-95 % bis 2050 innerhalb der Scopes 1-3);
2) sowohl kurzfristige als auch langfristige wissenschaftlich fundierte Ziele setzen;
3) keine Netto-Null-Ansprüche erheben, solange die langfristigen Ziele nicht erreicht sind sowie
4) auf dem Weg zu Netto-Null über die Wertschöpfungskette hinausgehen, d.h. über ihre eigenen Ziele hinaus an anderer Stelle investieren, um Klimawandel abzumildern. Diese Investitionen sollen jedoch zusätzlich zu eigenen, tiefgreifenden Emissionssenkungen erfolgen, nicht an deren Stelle.

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